Es hat sich in der Online-Dating-Community – und auch darüber hinaus – mittlerweile herumgesprochen, dass der polnische Abgang, das „Ghosting“ nicht die feine englische Art ist. Was auf einer (in Lockdownzeiten natürlich ausgeschlossenen) bierseligen Party nicht schwer ins Gewicht fällt, weil im besten Fall noch andere Partygäste da sind, mit denen man bis ins Morgengrauen feiern kann, ist beim Dating verletzend und zersetzend (mehr dazu HIER). Also wird neuerdings nicht mehr geghostet. Ein Fortschritt? Naja.
Man könnte ein Kennenlernen unter Erwachsenen beenden mit einer netten Nachricht (falls man sich noch nicht getroffen hat), einer Sprachnachricht oder einem Anruf (falls man sich schon getroffen hat) oder einem direkten Gespräch live und in Farbe – zur Not auch digital (falls man sich schon mehrmals getroffen hat und es schon ein gewisses Commitment auf beiden Seiten gab). Es konnte aber die Erfahrung gemacht werden, dass keine dieser Möglichkeiten gewählt wird. Stattdessen gibt es eine neue Exit-Strategie. Es ist die „Sneak Postview“, man könnte es auch als „Ghosting mit Ansage“ bezeichnen. Die Idee dahinter: Wenn man einen Kontakt so ganz allmählich immer weniger werden lässt, wenn man sich also rausschleicht und das Gespräch nach und nach auströpfelt, dann wird das am anderen Ende der Leitung schon zu Desinteresse führen und die Sache ist erledigt. Wie geht das nun genau? Wenn ein Love Interest schreibt „Keine Sorge, ich ghoste dich schon nicht“, dann sollten gleich mal beide Augenbrauen angehoben werden – da ist was im Busch. Verfolgt man den Nachrichtenverlauf der nächsten Tage und klopft ihn auf Details ab, weiß man sehr schnell, ob man selbst das Heft in die Hand nehmen sollte. Folgende Faktoren konnten als entscheidend ausgemacht werden: Nachrichtenfrequenz, Nachrichtenlänge, Nachrichtenwert.
- Nachrichtenfrequenz: Von zehn Nachrichten am Tag auf eine oder zwei? Vom permanenten Reagieren inklusive Ansage, wenn man länger verhindert ist bzw. Entschuldigung, falls man es mal war zur mehrstündigen bis mehrtägigen Funkstille? Alarm!
- Nachrichtenlänge: Vom Essay zum Zweizeiler? Von der dreiminütigen Sprachnachricht zum „Okay, dann viel Spaß!“? Alarm!
- Nachrichtenwert: Von der ausschweifenden Schilderung einer Alltagsbegegnung zur wortkargen Aufzählung von Nichtigkeiten? Von der ehrlichen Beschreibung eines Gemütszustandes zum „Jo, passt“? Vom interessierten Nachhaken zum Ausbleiben jeglicher Frage? Vom pointiert gesetzten Kompliment zur Floskel? Vom Küsschen-Emoji zu gar keinem mehr? Alarm!
Drei Mal Alarm? Zeit, zur Tat zu schreiten. Los geht’s.