Ich, eine Corona-Heldin?

Im ersten Lockdown habe ich einen Online-Kurs gemacht, zwölf Bücher gelesen, Theaterstreamings geguckt, war wie alle Welt auf unendlichen Spaziergängen unterwegs und habe – naja – ein bisschen gearbeitet. Ich habe Content auf Social-Media-Plattformen hochgeladen, ein paar Streamings eingestellt und vermeldet und ein bisschen Krisenkommunikation gemacht. Und Dinge abgesagt, storniert, geändert, verschoben. Das war alles so mittelmäßig motivierend, weil mein Herz ja dafür schlägt, ein Liebhaber*innenprodukt zu vermarkten, das es im Frühjahr nicht gab: Theater und Konzerte.

Im zweiten Lockdown habe ich gepuzzelt, ein französisches Buch gelesen, eine Yoga-Challenge mitgemacht, mir dabei das Knie verdreht, aber immer noch nicht den Grashüpfer gelernt, und viel Netflix geguckt. Dazwischen selbiges wie oben, noch etwas demotivierter, aber dennoch. Ich versuche das zu tun, was man von mir verlangt (bzw. was ich denke, dass man es von mir verlangt) oder was ich richtig finde, im Sinne der Kunst. Das ist soweit auch alles fein und gut. Ich komme, wenn man so will, im Arbeitskontext ganz gut durch die Krise und die finanziellen Abstriche durch Kurzarbeitergeld sind wegen der weggefallenen Möglichkeiten, spontan Geld auszugeben (KKK – Kneipe, Kantine, Kultur – alles zu!) sehr überschaubar. Nun wurde ich aber für meine Arbeit belohnt. Das kam ganz überraschend. Ich hätte es vielleicht nicht einmal bemerkt, wenn mich nicht meine Kolleginnen darauf angesprochen hätten. Im Dezember war nämlich mehr Geld auf dem Konto. 400 Euro! Die Lohnabrechnung brachte Gewissheit: Corona-Bonus, steuerfrei. Ich war baff, mehr als das. Ich schäme mich dafür. Das sollte doch für die Corona-Held*innen sein: das Pflegepersonal, die Müllmänner, die Busfahrer*innen, solche Menschen. Aber ich?

Erklärbar ist der Corona-Bonus ganz leicht, er kommt durch die Andockung meines Tarifvertrages an den TVöD zustande. Künstlerische Mitarbeiter*innen am Theater bekommen in aller Regel den so genannten Normalvertrag (NV) Bühne, in meinem Fall „Solo“, weil ich keinem Kollektiv angehöre, sondern wie eine Schauspielerin oder Sängerin im Ensemble behandelt werde. Dieser NV Bühne hat keine festgelegten Gehaltsstufen, sondern beinhaltet nur eine Mindestgage; alles darüber hinaus ist frei verhandelt. Der NV nimmt aber an den Tarifrunden des öffentlichen Dienstes teil (außer es gibt gemeine Fußnoten im individuellen Vertrag). Das ist natürlich super: Wir lassen die verdi-Menschen streiken, demonstrieren und verhandeln, machen selber weiter Kunst und freuen uns im April über 2 % mehr Gehalt. So kommt auch der Corona-Bonus zustande. Das hat also alles Hand und Fuß, aber ist es auch sinnvoll? Habe ich den Bonus verdient? Was heißt das überhaupt, etwas „verdienen“? Ich habe ihn einfach bekommen, musste ihn mir nicht verdienen, habe nicht danach gefragt. Klar bin ich der Meinung, dass Kultur wichtig ist und wir ungezählte sinnstiftende Momente im Leben vieler Menschen schaffen. Aber wir retten keine Leben. Das machen wirklich andere, an ganz anderen Orten. Und denen würde ich die 400 Euro doch viel lieber geben. Also habe ich beschlossen, den Bonus zu spenden. An Ärzte ohne Grenzen. Denn die retten wirklich Leben. Namasté.

Gern geschehen!

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