Alltag, go home!

Glaubt man dem aktuellen Cicero-Magazin, dann ist Peter Sloterdijk (71) „Deutschlands wichtigster Intellektueller“. Gefolgt von Jürgen Habermas (89), Hans Magnus Enzensberger (89), Martin Walser (91) und Peter Handke (77). Ich weiß jetzt, warum. Sloterdijk muss sich nicht um seinen WLAN-Router kümmern. Das muss mein Opa (91) ja auch nicht. Eigentlich kann man sich all diese Herren auch nicht beim Ausräumen einer Spülmaschine, beim Anstehen an der Supermarktkasse oder beim Aufhängen nasser Bettwäsche vorstellen. Sie haben also erheblich mehr Zeit alltäglich der Intellektualität zu frönen als, sagen wir mal, ich zum Beispiel. Denn ich habe einen WLAN-Router.Er hält mich auf Trab. Der WLAN-Router kam auf abenteuerliche Art und Weise in meine Wohnung. Eines Abends klingelte es an der Haustür, ein Techniker von Kabeldeutschland wollte die Leitung prüfen. Ich kleines naives Gör öffnete ihm die Tür, am Abend funktionierte der Fernseher nicht mehr. Wir hatten ehrlich nicht gewusst, dass wir seit Jahren schwarz fernsahen. Dankenswerterweise hatte der Techniker eine Karte dagelassen. Darauf fanden wir die Kontaktdaten des Außendienstlers, der freilich gewillt war, uns den Fernseher wieder ans Kabelnetz anzuschließen, gegen eine Gebühr von 19,99 € im Monat. Wir nahmen Kontakt auf, der Außendienstler war sehr eifrig im Anpreisen seiner Waren: TV-Sender, TV-Sender Vielfalt, TV-Sender HD, CI-Modul, Sicherheitspaket, Telefon, Internet, WLAN, Rufnummernmitnahme beim Anbieterwechsel, diverse Hardware zur Aufnahme von Sendungen und vieles weitere mehr. Selbstverständlich verringerte sich der Preis für den Kabelanschluss, wenn wir gleichzeitig auch unseren Internet- und Telefonanschluss mitnehmen würden. Kauf zwei, zahl‘ eins komma fünf, oder so. Es lief jedenfalls darauf hinaus, dass es uns zumindest in den ersten 24 Monaten kaum mehr kosten würde als unser damals aktueller Internetanschluss. Der Verkaufsmitarbeiter versicherte uns, sich um alles zu kümmern. Meine Mitbewohnerin und ich saßen an diesem Abend länger mit ihm auf unserem Sofa, denn alles, was wir nicht wollten, mussten wir zuerst als Testversion mit abschließen, um es im selben Atemzug wieder zu kündigen. Das dauerte schon eine ganze Weile. Bereits etwas ermüdet, wären wir ihm dann fast noch auf den Leim gegangen. Denn WLAN sollte 2 € pro Monat zusätzlich kosten. Es schien fast so, als könnte der Vertriebler, je nachdem, wie smart die ihm gegenübersitzende Kundschaft war, einen Preis aus einem breiten Spektrum erfinden. Wir verhandelten die 2 € weg. Er strich den Preis mit Kugelschreiber aus dem Kleingedruckten und schrieb „gratis“ dazu. Einige Tage später erreichte uns der Router und ein zusätzliches Gerät mit zwei Antennen, nur für das WLAN. Ein bisschen seltsam mutete das schon an, denn ein Router schafft das WLAN prinzipiell ja ganz gut alleine, aber wir schlossen alles so an wie vorgesehen und es funktionierte – die Geschwindigkeit haben wir nie getestet, das hätte uns wahrscheinlich, verglichen mit der versprochenen Geschwindigkeit, ein paar Tränchen in die Augen getrieben. Aber das ist eine andere Geschichte.

Irgendwann jedoch gab es Probleme mit dem WLAN-Empfang. Dauernde Abbrüche, Einwahlschwierigkeiten, das Netz konnte nicht mehr gefunden werden usw. Unser damaliger Mitbewohner war glücklicherweise ein versierter Elektro-Ingenieur, der es schaffte, durch Eintippen eines längeren Codes in den Browser, lustiges Herumtippen und Downloaden von Irgendetwas, das Problem zu beheben. Das WLAN-Passwort änderte er auch noch, wunderbarer Nebeneffekt. Er merkte schon damals an, dass das Gerät sehr mies sei. Nun, ein gutes Jahr später, besteht die WG, das gebe ich gerne zu, aus drei technisch weniger versierten Frauen. Dennoch versuche ich das leider wiedergekehrte Problem selbst zu beheben. An / Aus, Steckercheck, Endgeräte-Check mit Problembehandlung, Zuhilfenahme des Betriebshandbuchs, Eintippen des damals protokollierten Codes in den Browser (Fehlermeldung), Eintippen eines im Handbuch stehenden Codes (leider habe ich den Benutzernamen dazu vergessen), Anrufen der Servicehotline (Telefonat mit einem Bot, anschließend 45 Minuten Wartezeit, bis mir eine Callcenter-Mitarbeiterin eine Fernwartung per SMS (?!) verspricht). Die Fernwartung besteht daraus, dass ich eine Auftragsnummer per SMS zugeschickt bekomme, mit der Bitte, das Ticket zu stornieren, sollte sich mein Problem von selbst behoben haben. Gut, dass die Kollegen daran gedacht haben! Einen Tag später bekomme ich eine zweite SMS: „Lieber Vodafone-Kunde, prñfen Sie bitte Kabel und Einstellungen Ihrer Geräte. Das Netz ist geprñft und in Ordnung. Ihr Ticket schlieüen wir. Ihr Vodafone-Team“. Das nette Team teilt mir außerdem mit, dass mein Auftrag hiermit erledigt sei und ich im Kundenportal weitere Services fände. Ich bin zurückgeworfen auf Los, ich habe keine 1.000 Mark gezogen und fühle mich verschaukelt. Denn mein Problem ist ja, dass ich so schlecht online im Service-Bereich nachgucken kann, da das Datenvolumen auf meinem Handy schon aufgebraucht ist und das WLAN ja nicht geht. In einem Akt, der mich emanzipatorisch um Jahrzehnte zurückbeamt, frage ich einen Bekannten um seine Hilfe. Er gibt mir allerlei Tipps, ich schicke ihm die Modellnummer des Routers, er spricht mir sein Beileid aus und stellt fest, dass die Zusatzbuchse mit den beiden Antennen ein polnisches Modell ist und fragt mich, wie dieses Gerät den Weg in meine Wohnung gefunden habe (siehe oben). Nun bin ich vollkommen verunsichert und frage mich, ob ich zum Abschirmen polnischer Gefahren vielleicht einen Aluhut aufsetzen sollte, wenn ich in der Wohnung bin. Ich sollte diese ganze Situation nun, wie ich durch allerlei Workshops, durchs Studium und durch praktische Lebenserfahrung weiß, versuchen, für mich ins Positive zu wenden. Vielleicht wäre es eine gute Idee, eine Weile ohne WLAN zu leben und mich nicht damit zu beschäftigen. Denn es kostet Nerven und Zeit. Und beides brauche ich, wenn ich es irgendwann mal auf die Liste der wichtigsten Intellektuellen schaffen will.

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